Liebe Leserinnen und Leser,
die Dauerausstellung „Schwer.Industrie“ im LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg beherbergte für mich zahlreiche Schätze aus der Rhein-Ruhr-Region. Ein „Lieblingsobjekt“ auszuwählen, war daher gar nicht so einfach. Sowohl die vielen 3D-Objekte als auch die „Flachwaren“ – wie die vielen Fotografien und Pläne – ermöglichten spannende Rückschlüsse auf das vergangene Leben in Oberhausen und der Region. Als gebürtiger Ruhrpottler, als Historiker und Archäologe war die Dauerausstellung daher für mich eine wahre Fundgrube an tollen Objekten.
Ein Beitrag von Daniel Simon Böhmer
Ich haderte, ob ich unsere Dampflokomotive Baureihe 50 mit ihren stattlichen 80 Tonnen Gewicht oder doch unsere Möllertrauben, die erstmals den Schmelzvorgang in einem Hochofen zeigten, wählen sollte. Natürlich waren auch der Zweimann-Werksbunker, der wirklich eng für jemanden meiner Größe ist, und der Automat zur Messung der Handkraft in der engeren Wahl. An dem Automaten konnte ich niemals vorbeigehen, ohne den Test abzulegen (Handkraft bei ca. 180 – 190 N). Viele weitere tolle Objekten wären als Lieblingsobjekt in Frage gekommen.
Entschieden habe ich mich aber für etwas Anderes: das Panoramabild der Gussstahlfabrik von Fried. Krupp.
Das Bild wurde von dem Künstler Jürgen Schmiedekampf aus Bremen 1996/97 nach einer fotografischen Vorlage gezeichnet. Die Aufnahme fertigte 1864 der Fotograf Hugo van Werden als Teil eines achtteiligen Panoramas der Gussstahlfabrik Fried. Krupp in Essen an. Die Position des Fotografen war die Kanonenwerkstatt I auf dem Firmengelände.
Das abgebildete Werk gründete Friedrich Krupp am 20. November 1811 in Essen. Friedrich verstarb relativ jung im Jahre 1826, woraufhin seine Frau Therese die Leitung des Unternehmens übernahm. Zum Zeitpunkt der Aufnahme gehörte die Fabrik bereits Friedrichs Sohn Alfred Krupp. Unter seiner Leitung entwickelte sich Krupp zum größten Industrieunternehmen Europas.
Warum habe ich mich für dieses Bild entschieden? Jedes Mal, wenn ich mit Besucher*innen in der Ausstellung unterwegs war, hat es mir viel Spaß gemacht, über das Bild zu sprechen. Diese Gespräche waren sehr interessant, und auch die Aha-Erlebnisse der Besucher*innen zeigten mir, dass Geschichte jeden faszinieren kann. Darauf, dass das Bild an einem Sonntag entstanden ist, kamen Kinder meistens schneller als ihre Eltern, da sie den Dampf aus den Schornsteinen vermissten. Die Abneigung dagegen, sonntags zum Arbeitsort zu kommen, sah man dafür den Eltern sehr gut an.
Auf dem Bild ist noch viel mehr zu entdecken: Es zeigt einen Großteil der Produktpalette Krupps – unter anderem Radsätze und Radreifen für die Eisenbahn, einen schweren Dampfkessel, gezogen von mehreren Arbeitern, und Kanonenrohre aus Gussstahl – und bietet damit Einblicke in die technischen Möglichkeiten zur Entstehungszeit des Bildes. Auch sagt es viel über das Selbstverständnis der Firma Krupp aus, da Fotografien in dieser Zeit noch teuer und aufwendig waren. Auf diese Weise seine Produktpalette zu bewerben, stellte etwas Neues und Besonderes dar.
Ich werde mich immer an die spannenden Gespräche vor diesem Bild erinnern und ich hoffe, dass das Bild bei den Besucher*innen in guter Erinnerung bleiben wird.