Während der Umbau der Zinkfabrik Altenberg stetig voranschreitet und die Neukonzeption der neuen Dauerausstellung immer klarere Formen annimmt, sind die Mitarbeitenden des Industriemuseums auch andernorts fleißig im Einsatz. Im Peter-Behrens-Bau ist eine neue Sonderausstellung auf die Beine gestellt worden, die am 19. Mai 2019 eröffnet wurde: „Nützlich & Schön. Produktdesign von 1920 bis 1940“. Ein Überblick über Ausgangspunkt und Inhalte der Ausstellung.
1919. Ein radikaler Neuanfang. Politische und gesellschaftliche Umwälzungen nahmen ihren Lauf. Mit der Weimarer Verfassung wurde die erste deutsche Demokratie aus der Taufe gehoben. Mehr Freizeit und größere Konsummöglichkeiten, erhöhte Mobilität und eine zunehmende Geschwindigkeit in allen Lebensbereichen, der Beginn der modernen Mediengesellschaft und ein verändertes Frauenbild waren Ausdruck dieser neuen Zeit und begründeten ein neues Lebensgefühl.

Die rasanten Veränderungen in Politik und Gesellschaft inspirierten nicht zuletzt die Künstler und Handwerker des 1919 gegründeten Staatlichen Bauhaus. Es galt, eine neue, der Zeit angemessene Formensprache zu entwickeln, die den Anforderungen von Industriekultur und Massenkonsum gerecht wurde. Die Folge waren unzählige wichtige Impulse für Design, Kunst und Architektur, durch die sich die Warenwelt der Zeitgenossen zusehends verwandelte.

Eine neue Formensprache
Die Schaffung einer neuen, einfachen und ornamentlosen Formensprache war dabei jedoch nur die eine Seite der Medaille. Hinzu kam die Entwicklung neuer Werkstoffe, welche oftmals die neuartige Produktgestaltung überhaupt ermöglichte. Umgekehrt begründete die moderne Formensprache erst die Notwendigkeit neuer Materialien. Die 1920er Jahre wurden so Schauplatz einer wahren „Materialexplosion“: Metalle wie B. Widia aus dem Hause Krupp, Kunststoffe wie PVC und Plexiglas, Kunstseide sowie Kunstfasern wie Nylon und Perlon prägten in wachsendem Maße Form und Gestaltung alltäglicher Produkte.
Neben den neuentwickelten Werkstoffen gelangten zudem bereits bekannte, allerdings noch nicht etablierte Materialien zu ihrem Durchbruch. Dies gilt unter anderem für den bereits 1912 von Krupp als Patent angemeldeten rostfreien Stahl, der unter dem Namen „Nirosta“ bekannt wurde. Das schon seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts im industriellen Maßstab hergestellte Aluminium befreite sich vom Stigma der Minderwertigkeit und fand immer breitere Akzeptanz. Auch der 1907 erfundene Kunststoff Bakelit kam mehr und mehr zum Einsatz.
Interessanterweise ging diese Neu- und Wiederentdeckung von Werkstoffen nicht mit einem generellen Niedergang traditioneller Materialien einher. Holz, Glas und Keramik blieben dank moderner Produktgestaltung auf der Höhe der Zeit und konnten sich so in vielen Anwendungsbereichen behaupten. Ein Mosaik aus altbewährten, sich zunehmend etablierenden und gänzlich neu entwickelten Werkstoffen in schlichtem und modernem Gewand gestaltete nach und nach die alltägliche Lebenswelt der Zeitgenossen um.

Der rationalisierte Haushalt
Dieser Neugestaltung vieler Lebensbereiche widmet sich die Ausstellung. Im Fokus stehen hier die vielfältigen Gebrauchsgegenstände, die den Menschen in ihrem Alltag begegneten. Dabei werden die „Karrieren“ der unterschiedlichen Güter in ihrer Gesamtheit präsentiert, denn ein Produkt ist stets das Kind seiner Zeit. Materialeigenschaften, geeignete Formen, Herstellung und Vermarktung sind ebenso von Interesse wie Akzeptanz und Gebrauch der Produkte.
In der Küche greift man verstärkt zu Töpfen und Geräten aus Aluminium, während im Esszimmer immer häufiger mit Besteck aus Edelstahl von schnörkellosen Tellern aus Pressglas gegessen wird. Im Wohnzimmer entsteht dank schlichter und zweckmäßiger Stahlrohrmöbel wie beispielsweise dem verchromten Stahlrohrstuhl Wassily von Marcel Breuer ein neues, luftiges Lebensgefühl. Wärme spendet ein von Walter Gropius in modernem Design entworfener Dauerbrandofen. Der Fußboden lässt sich im Handumdrehen mittels des handlichen Staubsaugers „Saugling“ reinigen, dessen Materialmix aus Bakelit und verchromtem Metall sinnbildlich für den rationalisierten Haushalt steht.
Neue Formen und Werkstoffe
Die markanten Veränderungen beschränken sich jedoch nicht auf das häusliche Umfeld. Neue Formen und Werkstoffe begegnen zudem in Bereichen wie Sport und Verkehr. Die Ausstellung zeigt deshalb auch aus Aluminium gefertigte Bestandteile von Automobilen und Flugzeugen. Ein Fackelhalter des Olympischen Fackellaufs, von der Firma Krupp aus dem nichtrostenden Stahl Nirosta V2A hergestellt und für die Olympischen Spiele 1936 gestiftet, ist ebenfalls zu sehen.

Auch die Freizeit bleibt nicht unberührt von den zeitgenössischen Entwicklungen: So wurde das Gehäuse des Fotoapparates „Agfa Box 14“, bekannt unter dem Namen „Trolix“, aus dem neuentwickelten Press-Kunststoff Trolit der Dynamit AG aus Troisdorf gefertigt. Der neue Metallbaukasten „Elex“ der Firma Märklin wiederum bietet den Kindern Spaß und Vergnügen. Zum Ausgehen am Abend wählt die Frau das Tanzkleid mit dem typischen geraden, lockeren Schnitt, nachdem sie ihre Haare mithilfe des aus Bakelit hergestellten Haartrockners „Edir“ der Firma Siemens getrocknet und in Form gebracht hat.
All diese und noch viel mehr Ausstellungsobjekte verdeutlichen, wie sehr sich Warenwelt und Alltag in jenen Jahren veränderten und zeigen gleichzeitig auf, dass die Formen und Materialien dieser Zeit unser tägliches Leben bis heute prägen.
Die Ausstellung ist Teil des Jubiläumsprogramms „100 jahre bauhaus im westen“, das das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft gemeinsam mit den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe veranstaltet.