Schraubenkompressor der Gutehoffnungshütte (GHH)

Neues Zeug: Der Schraubenkompressor

Die tollsten Objekte sind manchmal die, die gewissermaßen von allein den Weg in unsere Sammlung finden. Über Glück und Unglück bei der Objektbeschaffung.

Ein Beitrag von Marcus Rischmüller

Ein wichtiges Thema unserer Ausstellung soll der Aufstieg Deutschlands zu einer der weltweit führenden Exportnationen werden. Nur wenige Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs „Exportweltmeister“ zu sein, erfüllte viele Deutsche mit Stolz und wirkte identitätsstiftend. Sinnbildlich für das neue deutsche Selbstverständnis stand der Ausspruch „Wir sind wieder wer!“.

Unternehmen aus dem Rheinland trugen mit einer Vielzahl an Exporten einen erheblichen Teil zu diesem Aufschwung bei. Zu den größten Exportschlagern gehörten dabei Maschinen verschiedenster Art. Schon früh kam deshalb die Überlegung bei uns auf, eine jener Maschinen auszustellen, die aus regionaler Fertigung stammen und in alle Welt exportiert wurden. Nun galt es, ein geeignetes Exemplar zu finden – leichter gesagt, als getan.

Wie so oft im Leben, kam uns hier der Zufall zu Hilfe. Von der „GHH Rand Schraubenkompressoren GmbH“ in Oberhausen erhielten wir unverhofft das Angebot, eine Schraubenkompressoranlage zu übernehmen. Ein echter Glücksfall für unser Museum, handelt es sich hierbei schließlich um ein regional hergestelltes Produkt der Oberhausener „Gutehoffnungshütte, Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb“ (GHH), deren Wurzeln bis ins Jahr 1758 zurückreichen und die in den 1960er und 1970er Jahren zum größten Maschinenbaukonzern Europas avancierte.

Der uns angebotene Schraubenkompressor stammt aus dem Jahr 1958 und damit aus den Anfängen der Entwicklung ölfreier Druckluftkompressoren. Schraubenkompressoren werden in verschiedenen Industriezweigen zur Verringerung der Volumina von Gasen (Verdichtung) sowie zur Druckerhöhung von Flüssigkeiten eingesetzt. Sie arbeiten nach dem Verdrängungsprinzip und sind durch ihren gleichermaßen einfachen und robusten Aufbau gekennzeichnet. Zwei parallel angeordnete Rotoren befinden sich im Inneren eines Gehäuses und sind aufgrund ihrer Schraubenprofile ineinander verzahnt. Sie müssen möglichst dicht ineinandergreifen, um eine effektive Verdichtung des einströmenden Mediums zu gewährleisten, dürfen sich dabei allerdings nicht berühren. Die nötige Kühlung wird durch Luft oder Wasser, bei den später entwickelten ölgeschmierten Schraubenkompressoren durch Öl gewährleistet.

Zwei Läuferpaare von Schraubenkompressoren
Die zwei Schraubenverdichter-Läuferpaare mit dem größten und kleinsten Durchmesser, 1975. Die beiden großen Rotoren haben einen Durchmesser von 643 Millimetern, die beiden kleinen einen Durchmesser von 82 Millimetern. © LVR-Industriemuseum

An den beiden Stirnseiten des Gehäuses ist je eine Öffnung vorhanden. Durch die Saugseite (Einlass) strömt das Medium in den Verdichter. Dabei kann es sich beispielsweise um Luft, Wasser oder Gas handeln. Im Inneren des Geräts verhindern die beiden Rotoren einen direkten Durchgang des Mediums von der Saugseite zur Druckseite (Auslass). Stattdessen gelangt das Medium in die zwischen den rotierenden Schrauben gebildeten Zwischenräume. Im Zuge der Rotation wandert es von der Saugseite zur Druckseite.

Aufgrund ihres Aufbaus weisen Schraubenverdichter keine Schwingungsprobleme auf und arbeiten sehr geräuscharm. Zusammen mit einer großen Betriebssicherheit und einer langen Lebensdauer eröffnen ihnen diese Merkmale weite Anwendungsbereiche. In der Kunststoff-, Papier- und Automobilindustrie, in der Baubranche sowie der chemischen und petrochemischen Industrie kommen sie ebenso zum Einsatz wie bei der Verdichtung von Kältemitteln – weltweit. In ihrer ölfreien Variante finden sie zudem in jenen Bereichen Verwendung, in denen saubere Luft von zentraler Bedeutung ist: In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie beim Betrieb medizinischer Anlagen, aber auch in der Textilindustrie.

Silo-Fahrzeug mit Schraubenkompressor
Ein ölfreier Schraubenkompressor der Bauart SILU. Verdichter dieses Typs kommen vor allem in der Baubranche zum Einsatz, hier auf einem Silo-Fahrzeug, 1974. © LVR-Industriemuseum

Die Schraubenkompressoren gehörten damit zu den zentralen Exportprodukten der GHH. Der uns angebotene Schraubenverdichter ist also hervorragend geeignet, um die weltweite Erfolgsgeschichte regionaler Technik zu veranschaulichen. Seit Anfang dieses Jahres befindet er sich in unserem Sammlungsdepot und nimmt in unseren Planungen für die kommende Dauerausstellung einen festen Platz ein.

Nicht unerwähnt bleiben sollen hier jedoch auch die negativen Aspekte des Geschehens. Das Angebot zur Übernahme des Schraubenkompressors erreichte uns vor dem Hintergrund der angekündigten Schließung des Oberhausener Standorts der „GHH Rand Schraubenkompressoren GmbH“ durch den amerikanischen Mutterkonzern „Ingersoll Rand Inc.“. Die Verlagerung der Produktion der bisher in Oberhausen gefertigten Produkte auf die Standorte in den USA und China bedeutete den Verlust von 250 Arbeitsplätzen. Unsere Freude darüber, unserer Sammlung ein interessantes neues Objekt hinzufügen zu können, wird angesichts dessen natürlich stark getrübt.

Uns bleibt an dieser Stelle, den betroffenen Mitarbeiter*innen in ihrer schwierigen Situation alles Gute zu wünschen. Wir bedanken uns außerdem herzlich für die Überlassung des Schraubenkompressors und versprechen, dass er sich bei uns in guten Händen befindet!

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s