Zeitzeug*innenberichte aus der Geschichte der Babcock AG
Unweit der Zinkfabrik Altenberg befand sich bis vor nicht allzu langer Zeit eines der größten Kraftwerks- und Anlagenbauunternehmen Deutschlands. Das LVR-Industriemuseum sicherte die Erfahrungen und Erinnerungen ehemaliger Mitarbeiter*innen der Babcock AG. An Nikolaus wurden ausgewählte Ausschnitte aus den Interviews im Kino im Walzenlager präsentiert.
Ein Beitrag von Daniel Sobanski
Ein Oberhausener Weltkonzern
Der Kessel- und Anlagenbauer Babcock war neben Gutehoffnungshütte, Ruhrchemie und Bergbau eines der wichtigsten schwerindustriellen Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber in Oberhausen. 1898 als Niederlassung eines amerikanisch-britischen Unternehmens gegründet, expandierte das Werk im 20. Jahrhundert zu einem Kraftwerks- und Maschinenbaukonzern mit Werken in Oberhausen und Friedrichsfeld sowie Tochterunternehmen in ganz Deutschland. 2002 geriet Babcock in Insolvenz. Heute befinden sich in den Gebäuden an der Duisburger Straße Coworking Spaces und die Polizei Oberhausen.
Dokumente erschließen
Neben dem offiziellen Firmenarchiv, das sich zurzeit noch weitgehend unerschlossen im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv befindet, ist ein Bestand aus Dokumenten, Fotografien und Objekten aus den persönlichen Unterlagen ehemaliger Mitarbeiter überliefert. Das LVR-Industriemuseum hat diesen Bestand in den letzten Jahren zusammen mit den früheren Babcockern erschlossen. Bei der Arbeit des Arbeitskreises Babcock zeigte sich, wie viel Zeitzeugenwissen vorhanden war.
Geschichten erzählen
Das Wissen und die Erfahrungen der ehemaligen Babcock-Mitarbeiter*innen sind eine historische Quelle für sich. Oral History, das Befragen von Zeitzeug*innen, bietet der Geschichtswissenschaft und dem Museumspublikum Einblicke in die Geschichte, die in den schriftlichen Quellen, die sonst zur Verfügung stehen, nicht überliefert sind. Damit eröffnen sie neue Perspektiven auf die Vergangenheit und lassen auch Menschen zu Wort kommen, die in der großen Geschichte sonst stumm bleiben. Das LVR-Industriemuseum entschloss sich 2017, die spannenden Geschichten allen Interessierten zugänglich zu machen und organisierte regelmäßige Erzählcafés. In entspannter Atmosphäre berichtete bei Kaffee und Kuchen jeweils ein*e Zeitzeug*in über ein Thema aus der persönlichen Geschichte bei Babcock. Die Treffen waren sehr beliebt und führten nicht nur zu manchem Wiedersehen unter früheren Kollegen, sondern erweiterten auch den Kreis der Zeitzeug*innen.
Geschichten bewahren
Nichts lag also näher als das Wissen und die Erfahrungen der früheren Babcock-Mitarbeiter*innen als historische Quellen langfristig zu sichern. Das LVR-Industriemuseum und die Geschichts-werkstatt Oberhausen vereinbarten daher ein gemeinsames Oral-History-Projekt.
Die Planung und Durchführung des Projekts wurden durch die Pandemie behindert und verzögert. Trotzdem konnte das Team aus dem Historiker Daniel Sobanski und dem Kameramann Jörg Briese 2021/22 insgesamt 12 ein- bis anderthalbstündige Interviews aufzeichnen.

Da die Zinkfabrik Altenberg wegen des laufenden Umbaus als Drehort nicht verfügbar war, wurde der Peter-Behrens-Bau, Depot des LVR-Industriemuseums, zur Kulisse. Die Interviews behandeln eine große Bandbreite an Themen von technischen Zusammenhängen über Betriebsgemeinschaft und Arbeitssicherheit bis hin zu fast skurrilen Geschichten, wie der von der firmeneigenen Schafherde. Auf Wunsch des damaligen Vorstandsvorsitzenden schaffte Babcock 1.000 Heidschnucken an, die die offenen Flächen beim Werk Friedrichsfeld beweiden sollten. Die Kosten für die Pflege der Schafe zwangen das Unternehmen dazu, dieses Projekt wieder aufzugeben.
Die letzten Interviews wurden im Herbst 2022 geführt. Am 6. Dezember stellten die Geschichtswerkstatt und das LVR-Industriemuseum das Projekt der Öffentlichkeit und den anwesenden Teilnehmer*innen vor und präsentierten im Kino im Walzenlager Ausschnitte aus den Interviews. Als historische Dokumente stehen die Interviews dank der Förderung der Gesellschaft zur Förderung des LVR-Industriemuseums, der Volksbank Rhein-Ruhr, der Sparkassen-Bürgerstiftung Oberhausen sowie des NRW-Heimatministeriums nun für die Forschung und Geschichtsvermittlung zur Verfügung.
Zum Abschluss zeigen wir euch im Video kurze Ausschnitte aus den Interviews:
Literatur:
Sobanski, Daniel: Babcock – von der Kesselschmiede zum Großkonzern, in: Industriekultur 2.21, S. 8-9.
Es war hoch interessant von den Zeitzeugen in ihre Arbeitswelt geführt zu werden. Dank an „Alle“ die es möglich und umgesetzt haben.
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