Die Baugeschichte der Zinkfabrik Altenberg
Teil 3: Wohnen auf dem Werksgelände
Die Zinkfabrik Altenberg ist das einzige Fabrikensemble des Ruhrgebiets, das heute noch weitgehend so erhalten ist, wie es zu seiner Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesehen hat. Diese Anlage entsteht nicht mit einem Mal, sondern bekommt in vielen kleinen Schritten von Ausbau, Abriss und Neubau ihr heutiges Gesicht. In dieser fünfteiligen Reihe bekommen Sie einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Bauten auf dem Fabrikgelände.
Ein Beitrag von Daniel Sobanski
Maison du Chef
Eine Fabrik, die schwefelhaltige Erze röstet und mit eigenen kohlegefeuerten Dampfmaschinen Energie erzeugt, kann man sich nur schwer als Wohnort vorstellen. Trotzdem gibt es von Beginn an Menschen, die nicht nur auf Zink Altenberg arbeiten, sondern das Werksgelände ihr zu Hause nennen. Schon als 1855/56 das erste Walzwerksgebäude errichtet wird, bezieht der Leiter des Werks eine Wohnung im ersten Stock über den Lagerräumen und Werkstätten.
In den 1860er Jahren baut die Vieille Montagne (VM) die Oberhausener Zinkfabrik mehrfach aus. Die Walzanlage wächst und die Erzrösterei wird aus Mülheim nach Oberhausen verlegt. Damit benötigt die Zinkfabrik weitere Führungskräfte. Neben dem Walzwerksleiter muss es nun auch ein Leiter der Röstanlage und einen Direktor geben. In dieser Zeit plant die VM auf der Fläche zwischen dem heutigen Kesselhaus und dem Villengarten ein Haus, das auf den Plänen nur als „Gebäude A“ bezeichnet wird.
Gebäude A soll ursprünglich ein Labor und einen Stall enthalten. In den 1870er Jahren wird Gebäude A aber zum „Maison du Chef“ – Haus des Direktors An dieser Stelle verläuft eine Begrenzungsmauer, in die sich das Wohnhaus einfügt. Es gibt Zugänge sowohl zum Werksgelände, als auch in den Garten der heutigen Villa.

Das Haus wird 1903 nochmals ausgebaut und bleibt bis 1912 bewohnt. In diesem Jahr baut die VM das Wohnhaus in Teilen zum Feuerwehrschuppen um und plant ein Garten- und Palmenhaus im Rest des Gebäudes.

Der Direktor ist zu diesem Zeitpunkt bereits in die Villa eingezogen, die mitten im schon vorhandenen Wäldchen liegt. Der Bereich zwischen Villa und Hansastraße dient als repräsentativer Ziergarten. Hinter dem Direktorenwohnhaus baut ein unternehmenseigener Gärtner Gemüse an und hält Hühner.
Das Palmenhaus bleibt durch die wirtschaftlichen Krisen in Folge des Ersten Weltkriegs wohl nur ein schöner Traum. Als Schuppen der Werksfeuerwehr bleibt das ehemalige „Maison du Chef“ bis zur Stilllegung der Zinkfabrik erhalten.
Neben dem Direktor wohnt noch jemand auf dem Werksgelände. Als das Verwaltungs- und Magazingebäude, das Altenberg-Gebäude an der Hansastraße, 1911/13 neu gebaut wird, richtet die VM im Dachgeschoss eine Wohnung ein, die vermutlich für den Pförtner gedacht ist.
Werkssiedlungen
Auch für die Familien der Arbeiter baut die VM am Werksgelände Wohnungen. 1857 entstehen die drei ersten Arbeiterwohnhäuser an der Familienstraße. Ein Jahrzehnt später kommen zwei weitere dazu. Damit ist die Siedlung der Zinkhütte nach Eisenheim die zweite Arbeiterkolonie im heutigen Oberhausen. Dass die VM ein Vorreiter in Werkswohnungsbau und betrieblicher Sozialpolitik ist, ist kein Zufall. Denn angesichts der katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Zinkindustrie musste das Unternehmen Anreize bieten, um ihre Arbeiter im Betrieb halten zu können.
Zwischen 1892 und1899 baut die VM dann nordwestlich des Werksgeländes die Kolonie Gustavstraße. Die Siedlung besteht aus 18 1½-geschossigen Ziegelbauten. Die Häuser sind im sogenannten Kreuzgrundriss errichtet. Dadurch kann ein Haus vier Familien ein zu Hause bieten. Die vier Wohnungen werden durch Innenwände getrennt, die von oben gesehen ein Kreuz bilden. Hinter den Häusern befinden sich Stall- und Toilettenhäuser sowie Gärten, in denen die Familien Gemüse anbauen, um den Speisezettel aufzubessern.

Als sich Ende der 1970er Jahre die Stilllegung der Zinkfabrik andeutet, übernimmt die Stadt Oberhausen die Siedlungshäuser und plant zunächst, sie abzureißen. Die Bewohner*innen der Siedlung gründen deshalb eine Bürgerinitiative und Aktivist*innen besetzen leerstehende Siedlungshäuser. Am Ende wird nur ein Haus abgerissen. Die übrigen werden unter Denkmalschutz gestellt und saniert.
Neben den Wohngebäuden und den zentralen Produktionsanlagen gibt es auf dem Werksgelände noch eine ganze Reihe von Nebenanlagen, die verschiedene Aufgaben im Produktionsprozess – von der Instandhaltung bis zur Weiterverarbeitung – erfüllten. Über diese Gebäude erfahren Sie mehr in Teil 4 dieser Reihe.
Hier kommen Sie zum zweiten Beitrag unserer Reihe.
Quellen- und Literaturverzeichnis:
Schmenk, Holger: Von der Altlast zur Industriekultur. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet am Beispiel der Zinkfabrik Altenberg, Bottrop 2009.
Plan des Walzwerks der Gesellschaft Vieille Montagne zu Oberhausen, 5.8.1854, Université de Liège Centre d’Histoire des Sciences et des Techniques V 124.
Lageplan ohne Titel, 22.5.1857, ULiège V 155.
Plan de Situation de L’Établissement de la Société de la vieille montagne à Oberhausen, 18.5.1867, ULiège V 282.
Plan zum Bau-Consens-Gesuch Gebäude A, 15.7.1868, Stadtarchiv Oberhausen, Alt-Oberhausen 3874.
Plan de situation [um 1875], ULiège V 146.
Lageplan zum Bau eines Fallhammers, 22.7.1903, StA OB Alt-Oberhausen 908.
Baugesuch zur Errichtung des „Direktor-Wohnhauses“, 1.5.1911, LVR-Industriemuseum.
Baugesuch zum Einbau einer Wohnung in das Dachgeschoß des Verwaltungsgebäudes, 16.4.1913, LVR-Industriemuseum.
Baugesuch zur Errichtung von Feuerwehrgeräteraum, Kleiderkammer, Palmenhaus. Treibhaus, Gartenlaube anstelle des alten Direktorwohnhauses, 7.5.1913, LVR-Industriemuseum.
Lageplan zum Bau eines Fallhammers, 22.7.1903, StA OB Alt-Oberhausen 908.
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