LVR-Industriemuseum, Zinkfabrik Altenberg, Neue Dauerausstellung, Zinkröstofen, 1890er

Die Entstehung eines authentischen Ortes der Hochindustrialisierung

Die Baugeschichte der Zinkfabrik Altenberg

Teil 2: Die Röstanlagen

Die Zinkfabrik Altenberg ist das einzige Fabrikensemble des Ruhrgebiets, das heute noch weitgehend so erhalten ist, wie es zu seiner Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesehen hat. Diese Anlage entsteht nicht mit einem Mal, sondern bekommt in vielen kleinen Schritten von Ausbau, Abriss und Neubau ihr heutiges Gesicht. In dieser fünfteiligen Reihe bekommen Sie einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Bauten auf dem Fabrikgelände.

Ein Beitrag von Daniel Sobanski

„In größerer Entfernung (…) fristen selbst Birken nur ein kümmerliches Dasein“

Der Bericht des Königlichen Gewerberats Wolff aus dem Jahr 1884 über die Zinkfabrik Altenberg klingt wenig schmeichelhaft. Der Grund dafür, dass selbst hartgesottene Bäume wie Birken es in dieser Gegend schwer haben, sind die Röstanlagen der Zinkfabrik.

Rösten ist der erste Schritt der Verarbeitung des Zinkerzes. Die günstige Lage am Bahnhof macht es der Vieille Montagne (VM) leicht, die sogenannte Zinkblende aus den Bergwerken bei Bensberg (Bergisch-Gladbach) zum Werk in Oberhausen zu liefern. Die Zinkblende ist ein sulfidisches Erz – es besteht aus metallischem Zink und Schwefel mit Beimengungen aus Blei, Cadmium und Eisen. Um diese schädlichen Stoffe vom Zink zu trennen, muss es in speziellen Öfen geröstet werden. Dabei wird der Schwefel in Form von schwefliger Säure frei.

Die erste Röstanlage

Die katastrophalen Auswirkungen der Röstöfen auf die Umwelt sind der Grund, warum die VM die Anlagen nach Oberhausen verlegt. Technisch und wirtschaftlich sinnvoll sind Röstöfen eigentlich auf den Zinkhütten, da nach dem Rösten noch die eigentliche Verhüttung erfolgen muss. In Mülheim-Eppinghofen, wo die VM zu dieser Zeit eine Zinkhütte betreibt, reißen aber die Beschwerden der Anwohner nicht ab. Darum verlegt die VM 1856 das Rösten von Mülheim nach Oberhausen. In der gerade entstehenden Industriestadt Oberhausen gibt man dem Wirtschaftsaufschwung den Vorzug vor einer gesunden Umwelt.

Die erste Rösthalle auf dem Oberhausener Werk entsteht 1856/57. Sie besteht aus einer Haupthalle, die entlang der Grenze zum Rhenania-Gelände verläuft und zwei Querbauten an der Altenberger Straße und in Richtung zur Walzhalle. Die Röstanlage besitzt vermutlich ein Satteldach mit einem offenen First, durch den Gase entweichen können. In den Querbauten befinden sich das Erzmagazin, zwei Erzmühlen und eine Dampfmaschine. Die nötigen Kessel stehen in einem Anbau.

LVR-Industriemuseum, Zinkfabrik Altenberg, Neue Dauerausstellung, Postkarte
Bei dem Objekt handelt es sich um eine Ansichtskarte mit dem Titel „L’Aveyron 262. – Viviez. – Usine de la Vieille Montagne – Four a Zinc“. Die Postkarte zeigt einen vergleichbaren Zinkofen der Vieille Montagne in schwarz-weiß.

Um Zinkblende zu rösten, gibt es schon im 19. Jahrhundert eine ständig wachsende Auswahl verschiedener Ofentypen. Die Oberhausener Röstanlage verwendet zwölf sogenannte Freiberger Öfen. Diese Öfen bestehen aus einem Herd, in dem Kohle verbrannt wird, und einer darüber liegenden Röstkammer mit zwei Ebenen. Die Erze werden per Hand durch mehrere Öffnungen über die Röstebenen verteilt. Daneben gibt es noch zwei Öfen zum Kalzinieren von Galmei – dem analogen Prozess zum Rösten der Zinkblende. Das Zinkerz Galmei enthält zwar keinen Schwefel, dafür aber Kohlensäure.

In den folgenden zehn Jahren wird die Rösthalle mehrfach erweitert. Weitere Dampfkessel werden installiert. Außerdem entstehen am hofseitigen Querbau eine Schmiede, eine Schreinerei und eine Küferei sowie eine kleine Anlage für Gerstenhöfer-Öfen. Diese Öfen sind etwa 5m hoch, so dass man das Erz von oben, aus dem zweigeschossigen Querbau beschicken muss. Gerstenhöfer-Öfen sind eigentlich für andere Mineralien konzipiert. Aus der Zinkblende können sie nur etwa die Hälfte des Schwefels entfernen. Allerdings verfügen sie über eine Vorrichtung, um die schwefelhaltigen Dämpfe aufzufangen.

LVR-Industriemuseum, Zinkfabrik Altenberg, Neue Dauerausstellung, Gebäudeskizze 1860er
Die Grafik zeigt den Aufbau der zu der Zinkfabrik Altenberg zugehörigen Gebäude in den 1860er Jahren. Foto: ©Daniel Sobanski

In den 1870er Jahren wird die Rösthalle nochmal vergrößert; vermutlich muss Raum geschaffen werden, um Erze zu lagern. 1887 ersetzt die VM die Freiberger Öfen durch neue Öfen eines anderen Typs. Mit der Erweiterung der Walzhalle 1904/05 wachsen beide Gebäude zusammen.

Die zweite Röstanlage

In den 1870er Jahren baut die VM außerdem eine zweite Röstanlage auf dem bisherigen Rhenania-Gelände. Dort errichtet das Unternehmen zwei der erst 1872 entwickelten Hasenclever-Öfen. Dieser Typ macht es möglich, schwefelhaltige Gase abzusaugen. Darum kann die zweite Rösterei auch außerhalb des ursprünglichen Werksgeländes gebaut und direkt an die Bleikammern angeschlossen werden, die aus den Gasen der Röstöfen Schwefelsäure gewinnen.

LVR-Industriemuseum, Zinkfabrik Altenberg, Neue Dauerausstellung, Gebäudeskizze 1890er
Die Grafik zeigt den Aufbau der zu der Zinkfabrik Altenberg zugehörigen Gebäude in den 1890er Jahren. Foto: ©Daniel Sobanski

Vermutlich entwickeln Direktor Ross und Walzwerksleiter Welter in diesem Gebäude einen Ofentyp mit mechanischem Rührwerk. Vorher hat man die Erze beim Rösten nur per Hand bewegt. Auf den „Ross-Welter-Ofen“ erhalten die beiden 1883 ein Patent. Den 1884 gebauten Versuchsofen müssen sie jedoch bald wieder stilllegen, da er dennoch zu viel schweflige Dämpfe abgibt und in den 1880er Jahren das Grundwasser in Oberhausen so vergiftet ist, dass die Behörden zum Handeln gezwungen sind. Nichtsdestotrotz erweitert die VM ihre Kapazitäten durch einen Anbau an die zweite Röstanlage, der das Gebäude etwa vervierfacht.

Die Eisenbahn bleibt entscheidender Standortfaktor

Verschiedene Bahnlinien verbinden Oberhausen mit dem Erzrevier um Bensberg und mit den Hütten in Mülheim und Essen. Etwa bis zur Wende zum 20. Jahrhundert laufen die Anschlussgleise auf dem Weg zwischen der Walzhalle und den heutigen Werkstattgebäuden. Roherz wird dann wahrscheinlich auf der Seite abgeladen, die dem Rhenania-Gelände zugewandt ist, während auf der Hofseite das Röstgut aufgeladen wird.

LVR-Industriemuseum, Zinkfabrik Altenberg, Neue Dauerausstellung, Gebäudeskizze bis 1914
Die Grafik zeigt den Aufbau der zu der Zinkfabrik Altenberg zugehörigen Gebäude bis zum Jahr 1914. Foto: ©Daniel Sobanski

Spätestens 1903 ist ein neuer Erzschuppen fertig gestellt, der heute als Galerie des Vereins für aktuelle Kunst dient. Er ersetzt wahrscheinlich die Lager im Querbau von Rösthalle 1, die bei der Erweiterung der Walzhalle weggefallen sind. Zu dieser Zeit erhalten Walzhalle und Magazin ihre heutige Form. Damit ist der heutige Haupteingang des Altenberg-Geländes offen und es gibt eine zweite Erschließungsachse des Werksgeländes.

Stilllegung der Röstereien

Die Aufteilung des Betriebs zwischen Oberhausen und Borbeck – die Hütte in Mülheim wird bereits 1873 stillgelegt – erweist sich als wenig rational. 1929 verlegt die VM das Rösten nach Borbeck und spart damit einen Transportweg zwischen den beiden Werken ein. Die Röstanlagen in Oberhausen werden jedoch nicht abgerissen. Nach einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg liegen die Gebäude größtenteils in Trümmern.

Kurz nach Kriegsende entstehen an der Stelle der Röstanlage 2 eine Schreinerei und eine Fertigungshalle, in der sich heute die Werkstatt sowie das Lager des LVR-Industriemuseums befinden. Im Untergrund werden vor einigen Jahren Reste der Röstanlage entdeckt. An der Walzhalle stehen noch heute drei vermeintliche Anbauten des Walzwerks, in denen sich nun die Räumlichkeiten von SoVat. e.V., Terre des Hommes und der Starthilfe e.V. befinden. Tatsächlich sind sie ein Überbleibsel der alten Rösthalle.

Im dritten Teil dieser Reihe erfahren Sie mehr über den Alltag der Menschen in einer industriell geprägten Region, denn trotz der schwefligen Abgase, die die Röstanlagen während ihres Betriebs in die Luft abgeben, leben Menschen an und auf dem Werksgelände und bauen sogar Gemüse an.

Hier kommen Sie zum ersten Beitrag unserer Reihe.

Quellen- und Literaturverzeichnis:

Sobanski, Daniel: Verderbniss des Grundwassers. Die Entwicklung der öffentlichen Wasserversorgung in Oberhausen, in: Schichtwechsel 2/2021, S. 40-44.
50 Jahre Gemeinde Oberhausen, Oberhausen 1912
R.G. Max Liebig: Zink und Cadmium und ihre Gewinnung aus Erzen und Nebenprodukten, Leipzig 1913.
Situationsplan des Etablissements der Gesellschaft Vieille Montagne zu Oberhausen, 15.10.1856, Université de Liège Centre d’Histoire des Sciences et des Techniques.
Plan und Durchschnitt der Dampfmaschine und der beiden Quetschmühlen zu Oberhausen, 15.10.1856, ULiège.
Zeichnung eines Kesselgebäudes fürs Etablissement Oberhausen der Gesellschaft Vieille Montagne, 15.10.1856, ULiège.
Situationsplan über die Anlage zweier Dampfkessel auf Etablissement der Gesellschaft Vieille Montagne zu Oberhausen, 19.12.1861, ULiège.
Conzessionszeichnung über die Anlage eines Dampfkessels zum Betrieb der Walzwerksmaschinen auf dem Etablissement der Gesellschaft Vieille Montagne zu Oberhausen, 9.12.1861, ULiège.
Conzessionszeichnung über die Anlage eines Dampfkessels zum Betrieb der Quetschmühlen auf dem Etablissement der Gesellschaft Vieille Montagne zu Oberhausen, 19.12.1861, ULiège.
Plan de Situation de L’Établissement de la Société de la vieille montagne à Oberhausen, 18.5.1867, ULiège.
Bericht Dr. Bernoulli über Instruktionsreise, 1883, Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Regierung Düsseldorf 10727.
Direktor Ross an Königliche Regierung Düsseldorf, 24.11.1884, LA NRW R, Regierung Düsseldorf 10725.
Beigeordneter Grillo an Königliche Regierung, 15.6.1886, LA NRW R, Regierung Düsseldorf 10725.
Direktor Ross an Königliche Reg., 21.6.1887, LA NRW R, Regierung Düsseldorf 10725.
Bericht des Direktors der Oberhausener Niederlassung der Vieille Montagne, 13.9.1892(?), Archiv der Vieille Montagne.
Oberhausen Situationsplan zum Concessionsgesuch zur Vergrößerung des Lagerschuppens, 11.2.1889, Stadtarchiv Oberhausen OB Alt-Oberhausen 3874.
Lageplan zum Bau eines Fallhammers, 22.7.1903, StA OB Alt-Oberhausen 908.
Lageplan Teilabbruch – Teilneubau der Walzwerkhalle, 5.2.1904, LVR-Industriemuseum.
Luftbild NBGATM05, Mai 1945, Digitale Luftfahrt-Bibliothek.
Luftbild, um 1952, https://luftbilder.geoportal.ruhr/.

3 Kommentare

  1. Ich finde das Zinkverfahren sehr interessant. Außerdem finde ich es gut, dass die Rösthalle vergrößert wurde und auch weitere Dampfkessel hinzugekommen sind. So kann man mehr herstellen.

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