LVR-Industriemuseum, Zinkfabrik Altenberg, Neue Dauerausstellung, Kino im Walzenlager

FabrikKino: Schleimkeim – Otze und die DDR von unten

Von Donnerstag, den 25.04. bis Dienstag, den 30.04.2024 präsentiert das LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg in Kooperation mit dem Kino im Walzenlager den Dokumentarfilm „Schleimkeim – Otze und die DDR von unten“ des deutschen Filmemachers und Drehbuchautors Jan Heck, der das Publikum auf eine filmische Zeitreise zur Punkszene und damit auch in den musikalischen Untergrund der DDR mitnimmt. Die Dokumentation ist Teil des diesjährigen Dokumentarfilm-Wettbewerbs beim Filmfestival „FILMZ“ in Mainz.

Ein Beitrag von Isabelle Reckmann

Die Band Schleimkeim lebte die anarchistische Subkultur des Punks, trotz oder vielleicht gerade auch wegen der massiven staatlichen Repressalien in der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik aus. Der Frontmann der Punkband, Dieter Ehrlich, der sich Anfang der 80er Jahre seinen Künstlernamen Otze gab, gilt heute als Urvater des Punks in der DDR. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Stotternheim, einem Dorf bei Erfurt, hörte der Bauernsohn Ehrlich im Westradio Bands wie The Clash, die Sex Pistols oder die Ramones und fasste den Entschluss, dass es derartige Musik auch in der DDR geben müsse.

Filmplakat zum Film Schleimkeim
Filmplakat zum Film „Schleimkeim“ Foto: Kino im Walzenlager

Im Stall bastelte er daraufhin ein Schlagzeug aus Mülleimern zusammen, schraubte alte Radios auseinander, um aus ihnen einen Verstärker zu bauen und lötete Seifenschalen zusammen, um den Sound der Gitarren zu verzerren. So wurde Schleimkeim Anfang der 80er Jahre im Schweinestall geboren. Die Texte der Band waren staatskritisch und richteten sich gegen die Regierung der DDR. Als erste ostdeutsche Band schafften sie es sogar, eine Platte im Westen zu veröffentlichen.

Der 1991 im baden-württembergischen Balingen geborene Jan Heck spielt selbst in einer Punkband und kam erstmals im Alter von 14 Jahren mit Schleimkeim in Berührung. Die Band ist so legendär, dass sie bis heute auch in der westdeutschen Punkszene bekannt ist und so drückte ihm jemand eine Schleimkeim-CD in die Hand. Seitdem ist Heck von der Band fasziniert.

Jan Heck war davon beeindruckt, dass die Mitglieder von Schleimkeim trotz staatlicher Repressionen weiterhin an ihrer Musik arbeiteten. Denn Punk war in der DDR nicht nur nicht gewollt, sondern bedeutete für die Musiker*innen polizeiliche Verfolgung bis hin zu Haft. Heck ist der Meinung, dass gerade der Fakt, dass sie aufgrund ihrer Unangepasstheit Repressionen ausgesetzt waren, die DDR-Punks und gerade die Band Schleimkeim bis heute so authentisch macht. Heck begab sich auf die Suche nach Bewegtbildern zu der Band und konnte nicht glauben, dass die Geschichte von Schleimkeim noch nicht auf filmische Weise erzählt worden war. Aus diesem Grund traf er die Entscheidung, selbst einen Film über die Punkband zu schaffen.

Der Film erzählt die Geschichte der Band Schleimkeim und ihrer zentralen Figur Otze, der zu einem unsterblichen Charakter der anarchistischen Szene geworden ist. Doch der Dokumentarfilm in Spielfilmlänge ist viel mehr als eine Dokumentation über Punk; er bietet den Zuschauer*innen Zwischentöne, Facetten und Widersprüche. Der Filmemacher eröffnet einen Einblick in den Alltag der Band und zeichnet ihre Erfolgsgeschichte vom Aufblühen in den 80ern bis zu ihrem Ende in den frühen 90er Jahren nach.

Regisseur Jan Heck
Regisseur Jan Heck Foto: Arsenal Filmverleih, DFF

Heck wollte, dass der Film vor allem von jenen erzählt wird, die diese Zeit selbst erlebt hatten. Deshalb bediente er sich der Form des Dokumentarfilms und nutzte während des Drehs und auch im Schnitt Stilmittel des Punks. Durch Interviews mit verbliebenen Bandmitgliedern und Angehörigen, Aufnahmen von originalen Schauplätzen und Archivmaterial wird die Geschichte der Band sowie deren Lebensgefühl des „Punk-Seins“ in der DDR vor, während und nach dem Mauerfall zum Ausdruck gebracht. Der Film schafft es, Wessis dabei zu helfen, den Osten und auch das komplizierte Verhältnis vieler Ostdeutscher zu Autoritäten zu verstehen. Die Dokumentation macht aber nicht den Fehler, den Frontmann Otze zu idealisieren, sondern beleuchtet auch dessen traurige Realität. Er thematisiert Otzes Drang zur Gewalt und versucht zu erklären, warum Dieter Ehrlich schlussendlich zum Mörder wurde. Insgesamt ist ein Punk-Dokumentarfilm entstanden, der nicht nur die Musik erfahrbar, sondern auch den Preis der Freiheit sichtbar macht.

Auch in unserer neuen Dauerausstellung beschäftigen wir uns mit der Punk-Kultur. In dem Ausstellungsbereich „Anders leben“ blicken wir auf die Entstehung von Alternativ- und Jugendbewegungen als Gegenkulturen zum Mainstream. In Abgrenzung zu den Wirtschaftswunderjahren stellen die Aktivist*innen die Werte der Eltern- und Großelterngeneration sowie die politischen Verhältnisse infrage. In dieser Zeit geriet der Glaube an Fortschritt und Wohlstand ins Wanken, weshalb Protestbewegungen entstanden, die ihre Kritik an der Gesellschaft offen äußerten. Sie lehnten eine Industriegesellschaft ab, die auf Arbeit und Konsum fokussiert war und auf Ungleichheit, Ausbeutung des globalen Südens sowie Umweltzerstörung beruhte.

In der Ausstellung stellen wir den Besuchenden zwei Figurinen vor, die der Punk-Kultur sowie der Alternativen Frauenbewegung zuzuordnen sind. Ausgestattet sind die Figurinen mit typischen Insignien der Bewegungen. Die „frauenbewegte“ Figurine trägt beispielsweise eine lilafarbene Latzhose und einen Anstecker. Begleitet wird sie von passenden Exponaten wie einem Exemplar der Zeitschrift Emma, einem Buch zum Selbstbau von Sonnenenergieanlagen sowie passenden Fotos. Die Punk-Figurine hingegen wird eine zerrissene Jeans, ein neonfarbenes Korsett sowie eine Lederjacke mit Badges tragen. Auch um sie herum zeigen wir passende Objekte, etwa ein Fanzine oder einen Kassettenrekorder. Außerdem können die Besuchenden sich verschiedene Protestlieder sowie Punkmusik der Bands Mittagspause und Die Krupps anhören.

Spielwoche25.04., 26.04., 29.04. und 30.04., jeweils ab 20.15 Uhr, 28.04. ab 18.15 Uhr
SpracheDeutsch
Dauer96 Minuten
Kosten7,00 EURO pro Person (auch Rentner*innen und Auszubildende)
Ermäßigt6,00 EURO (Menschen mit Behinderung, Schüler*innen, Kinder, Arbeitslose und Studierende)

Mehr Informationen zur Kartenreservierung findet ihr auf der Homepage des Walzenlagers.

Anschrift:

Kino im Walzenlager, Zentrum Altenberg
Hansastraße 20
46049 Oberhausen

Bitte beachtet, dass die Hausnummer „Hansastraße 20“ für den gesamten Gebäudekomplex inklusive Museum gilt.

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