Teil 2 – Krisen und Kriege
Im Jahr 2022 haben euch unsere Kooperationspartner berichtet, wie sich die Gestalt der Zinkfabrik Altenberg verändert. Walter Vielain stellte euch die neue Architektur vor, während Noel McCauley euch das Konzept der Ausstellungsgestaltung erläuterte. Aber nicht nur die äußere Form verändert sich, sondern auch die Inhalte der neuen Dauerausstellung werden neu ausgerichtet. Der zweite Beitrag der fünfteiligen Reihe zur neuen Zinkfabrik beschäftigt sich mit den Einschnitten im Leben der Menschen ab 1914.
Ein Beitrag von Maja Lange
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendet den Traum von einem neuen Zeitalter des Fortschritts, das wachsenden Wohlstand und – wenngleich langsam – mehr Freiheiten für immer mehr Menschen bringt. Die globalen Erfolge der Industrie haben Nationalstolz und koloniale Großmachtträume befördert, die das Kaiserreich in Herrenmenschenmanier brutal durchsetzt. Die industrialisierte Kriegsführung zeigt die ganze Janusköpfigkeit dieses Zeitalters anhand eines Krieges, der millionenfachen Tod, Verstümmlung und psychische Traumata in bis dahin ungeahntem Ausmaß bringt.

Bis weit über den Krieg hinaus bestimmen Hunger und wirtschaftliche Not den Alltag vieler Menschen. Nach Kriegsende entsteht die erste Demokratie in Deutschland, mit gleichem Wahlrecht für Männer und Frauen. Die Jahre der Weimarer Republik erleben die Menschen als unruhige, gewaltvolle Zeit, mit harten sozialen Konflikten und unlösbar scheinenden Krisen, aber auch als eine Zeit neuer Lebensentwürfe und Freiheiten, die sie sich – in einer Gesellschaft, die ihnen die Möglichkeit zum Mitbestimmen bietet – erstreiten und ausprobieren.
„Todesursache: Enthauptung“.
So steht es im Totenschein von Dietrich Tembergen, der sich 1942 in einer Straßenbahn kritisch über das Kriegsgeschehen und die deutsche Regierung geäußert hat und dafür mit dem Leben bezahlte. Heute ist das Recht auf freie Meinungsäußerung im Grundgesetz verankert.
Die nationalsozialistische Diktatur macht diesen Aufbruch zunichte. Sie setzt auf Gleichschaltung der Menschen in einer kollektiven Volksidentität und auf Ausgrenzung und Ausbeutung all derer, die nicht zur rassistisch konstruierten „Volksgemeinschaft“ gehören – bis hin zu Vernichtung und Völkermord im industriellen Maßstab. Erst die militärische Niederlage und Abkehr von diesen kollektiven Identitätsbildern ermöglicht es den Deutschen, zu einer demokratischen Regierungsform zurückzukommen, die individuelle Freiheiten schützt, politische Teilhabe für alle ermöglicht und nach Jahren kriegsbedingter Not eine Aussicht auf Wohlstand und Wachstum nach amerikanischem Vorbild eröffnet.

1949 wurde hierfür die Grundlage, das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“, verabschiedet. Bis heute wurde es fast 70 Mal geändert, doch keine dieser Änderungen hätte Dietrich Tembergen das Leben gekostet.
Falls ihr den ersten Teil unserer Reihe, in dem es um die Industrialisierung in Oberhausen geht, verpasst habt, könnt ihr ihn hier nachlesen.
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