Panoramaaufnahme in schwarzweiß des Walzwerkes in Schlesien

Auf der Suche nach neuem Zeug

Eine Entdeckungsreise zur oberschlesischen Zinkindustrie

Die Sonne scheint auf ein scheinbar verlassenes Industriegebiet in der polnischen Stadt Świętochłowice. Mehrere Werkshallen aus Backsteinmauern und Stahlträgern zeigen, dass die Anlage schon über eineinhalb Jahrhunderte Industriegeschichte gesehen hat. Eine Reihe von ausgemusterten Walzanlagen am Zaun des Fabrikgeländes, zum Schutz gegen Wind und Wetter blau gestrichen, verraten mir: hier wurde früher Zink gewalzt.

Ein Beitrag von Daniel Sobanski

Schon auf der Fahrt nach Świętochłowice fühle ich mich als Besucher aus dem Ruhrgebiet irgendwie zu Hause. Malerische Arbeitersiedlungen, einzelne Fördergerüste und die weißen Wolken aus den Kokereien stehen im Kontrast zu modernen Hochhäusern. Ich bin in Oberschlesien, dem zweiten Ruhrgebiet. Wobei: Genauer gesagt ist das Ruhrgebiet vielmehr das zweite Schlesien. Denn in Schlesien wurden Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Dampfmaschinen Deutschlands gebaut und auch der erste Kokshochofen Deutschlands angeblasen. Außerdem unterstützten Maschinen und Know-How aus Oberschlesien die Industrialisierung im Ruhrgebiet.

Die Huta Silesia von außen Foto: Daniel Sobanski
Die Huta Silesia von außen
Foto: Daniel Sobanski

Neben Kohle gab es in Schlesien auch Vorkommen von Zinkerz (Galmei und Zinkblende). So wurde Schlesien zu einem der Zentren der Zinkindustrie auf dem europäischen Kontinent. Das andere Zentrum war das Revier zwischen Aachen und Liège, aus dem die Vieille Montagne, die Eigentümerin von Zink Altenberg, stammte. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte Schlesien zum Deutschen Reich, seitdem zu Polen.

Die Schwester von Zink Altenberg

Die historischen Industrieanlagen am Rande der Kleinstadt Świętochłowice waren Teil der Huta Silesia. Die Zinkhütte wurde in den 1850er Jahren von der Schlesischen Aktiengesellschaft für Bergbau und Zinkmetallurgie (SCHLESAG) errichtet. Die führende Figur des Unternehmens war der Magnat (adelige Unternehmer) Guido Henkel von Donnersmarck (1830-1916), aber auch die belgische Vieille Montagne besaß Aktien.

Postkarte mit dem Motiv des Walzwerkes der Huta Silesia, Blick vom Turm der heute nicht mehr existenten evangelischen Kirche, ca. 1900-1920 Foto: fotopolska.eu
Postkarte mit dem Motiv des Walzwerkes der Huta Silesia, Blick vom Turm der heute nicht mehr existenten evangelischen Kirche, ca. 1900-1920
Postkarte: fotopolska.eu

Das Walzwerk aus den 1860er Jahren ist das einzige Überbleibsel der Huta Silesia. Die Zinkhüttenanlagen, die Gebäude in denen Zinkerz vom Schwefel befreit und zu reinem Zink verhüttet wurde, haben modernen Industrie- und Lagerhallen Platz gemacht. Die Walzhalle und ihre Nebengebäude aber sind denkmalgeschützt. Die vor wenigen Jahren stillgelegte Anlage gehört inzwischen zur Fundacja Ochrony Dziedzictwa Przemysłowego Śląska (Stiftung zum Schutz der Industriekultur Schlesiens), einem langjährigen Kooperationspartner des LVR-Industriemuseums.

Die Stiftung arbeitet daran, das historische Walzwerk zu restaurieren und zu einem industriekulturellen Zentrum umzugestalten. Im ersten Schritt wurden die Gebäude vom Staub von Jahrzehnten harter und gefährlicher Arbeit befreit. Der Vorsitzende der Stiftung und der ehemalige Werksleiter führen mich durch die Hallen. Gleich fühle ich mich an Zink Altenberg erinnert. Die Maschinen sind die gleichen – Schmelzöfen, Gießkarusselle und Walzenzüge. Der einzige Unterschied ist, dass sich hier die Dampfmaschinen zum Antrieb der Walzen erhalten haben; die in Oberhausen wurden schon in den 1920er Jahren durch Elektromotoren ersetzt.

Innenaufnahme der Huta Silesia Foto: Daniel Sobanski
Innenaufnahme der Huta Silesia
Foto: Daniel Sobanski

Auf Schatzsuche

Das Ziel meines Besuchs ist ein dunkler Raum an der Seite der Walzhalle. Dort liegt ein Haufen von Werkzeugen. Nimmt man eines dieser Werkzeuge in die Hand, bekommt man eine Idee, wie es gewesen sein muss, in der Zinkhütte oder dem Walzwerk zu arbeiten – das Gewicht, die Härte des Metalls, Hitze, Staub und flüssiges Zink. Und leider gibt es im Depot des LVR-Industriemuseums nur wenige Werkzeuge dieser Art. Das liegt zum einen daran, dass die Zinkfabrik Altenberg nicht direkt vom Museum übernommen wurde und man daher nicht das ganze Inventar sichern konnte; zum anderen wurde in Oberhausen nie Zink verhüttet. Dieser Produktionsschritt fand in der Zinkhütte in Essen-Borbeck statt, die komplett abgerissen wurde und von der keine Objekte ins LVR-Industriemuseum gelangt sind. In diesem Haufen, der auf den ersten Blick wie nutzloses Altmetall wirken könnte, liegen einige historische Zeugnisse, wie sie in Oberhausen bisher gefehlt haben.

Allerdings schließen die Schätze im Staub der Huta Silesia nicht alle Lücken. Darum fahren mein Gastgeber und ich weiter in einen Vorort von Katowice, der Hauptstadt der Woiwodschaft Śląskie. Hier betreibt die Stiftung das Museum Walcownia Cynku. Das ehemalige Walzwerk ist übrigens nicht das einzige Museum der Stiftung. Dazu gehören außerdem das schlesische Eisenbahnmuseum in Jaworzyna Śląska, das Museum für Landwirtschaftstechnik in Piotrowice Śląskie und die Hillberts Mühle in Dzierźoniōw.

Innenaufnahme der Huta Silesia Foto: Daniel Sobanski
Innenaufnahme der Huta Silesia
Foto: Daniel Sobanski

Und wieder fühlt man sich ein bisschen wie im Ruhrgebiet. Walcownia gehört zur schlesischen Route der Industriekultur, zur Szlak Zabytków Techniki Województwa Śląskiego (Straße technischer Kulturdenkmäler in der Woiwodschaft Schlesien). Auf Walcownia und den anderen Industriedenkmälern feiert man einmal im Jahr die Region bei der Industriada, der schlesischen Extraschicht.

Auf Walcownia finden wir weitere Werkzeuge aus einer Zinkhütte, die die Stiftung zum Schutz der Industriekultur Schlesiens dem LVR-Industriemuseum für die neue Dauerausstellung auf Zink Altenberg überlässt. Mehr über die Werkzeuge erfahrt ihr in einem nachfolgenden Beitrag.

Verwendete Literatur:
Bergstein, Edgar: Die Zinkindustrie in Oberschlesien, in: Industriekultur 2.23, S. 12-13.
Dobbelmann, Hanswalter (Hrsg.): „Das preußische England …“ Berichte über die industriellen und sozialen Zustände in Oberschlesien zwischen 1780 und 1876, Wiesbaden 1993.
Travel report, Report, Book, Printed Resource – XVII, 424 S. : Ill., graph. Darst.
Engelskirchen, Lutz / LWL-Freilichtmuseum Hagen: Zink. Das achte Metall, Essen 2007.
Rasch, Manfred: Der Unternehmer Guido Henckel von Donnersmarck. Eine Skizze, Essen 2016.

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