Teil 3 – Alle sollen besser leben
Im Jahr 2022 haben euch unsere Kooperationspartner berichtet, wie sich die Gestalt der Zinkfabrik Altenberg verändert. Walter Vielain stellte euch die neue Architektur vor, während Noel McCauley euch das Konzept der Ausstellungsgestaltung erläuterte. Aber nicht nur die äußere Form verändert sich, sondern auch die Inhalte der neuen Dauerausstellung. Welche Themen euch erwarten, stellen wir euch einmal im Monat in einer fünfteiligen Reihe vor. Nach den ersten beiden Teilen, die den Zeitraum vom Beginn der Industrialisierung in Oberhausen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs umfassen, rückt der dritte Beitrag nun die Zeit des Wirtschaftswunders in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Ein Beitrag von Wiebke Hemme und Dr. Burkhard Zeppenfeld
„Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt?“
Es ist die Zeit nach der Währungsreform 1948. Innerhalb weniger Wochen schießen die Preise in die Höhe – Spitzenreiter sind Eier mit bis zu 500 %! Das Wirtschaftswunder kam nicht sofort. Mangel und Sparsamkeit prägen bis weit in die 1950er Jahre den Alltag. Doch die Produkte locken in den Schaufenstern und eine Ausstellung fordert 1953: „Alle sollen besser leben“.

„Wohlstand für Alle!“ verspricht Ludwig Erhard. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften und steigende Löhne lassen den Traum im Laufe der Jahre für viele Wirklichkeit werden. Das Auto vor dem Haus, die Waschmaschine im Keller und für die Damen die Nylonstrümpfe mit Naht zeigen, was man sich leisten kann. Billiges Erdöl macht Autofahren erschwinglich, bunte Objekte aus Kunststoff erobern die Wohnungen.
Der Konsum treibt die Entwicklung voran. Die Wirtschaft automatisiert die Produktion und macht Massengüter immer erschwinglicher. Das verändert die Arbeitswelt. Sie wird durch Fließbänder monotoner. Die ersten Roboter sorgen schon für Verunsicherung: Bereits damals fragen sich viele, wie lange es dauern wird, bis Kollege Roboter den Job übernimmt.

Mehr Lohn und ein sicherer Arbeitsplatz reicht vielen nicht mehr. Betriebsräte und Gewerkschaften erkämpfen besseren Arbeitsschutz, kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub. Die Zeit der allmächtigen „Patriarchen“ über die Firma und ihre Angestellten geht langsam zu Ende; sie müssen sogar Mitbestimmung aushalten.
Die Gesellschaft öffnet sich nach außen. Es herrscht Arbeitskräftemangel und bis weit in die 1960er Jahre hinein werden so genannte „Gastarbeiter“ angeworben, etwa in Italien oder in der Türkei. Viele kommen, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive haben, und einige davon bleiben. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands wäre ohne ihre tatkräftige Unterstützung und Einsatzbereitschaft nicht entstanden.
In den 1970er Jahren erreicht die Wohlstandsgesellschaft einen neuen Höhepunkt. Die Gesellschaft wagt „mehr Demokratie“, man traut sich, neue Lebensentwürfe zu probieren. Kleidung, Wohnungseinrichtung und Musik drücken aus, wer man ist und wozu man gehört und demonstrieren individuellere, weniger konventionelle Lebensstile. Frauen erkämpfen mehr Rechte, neue Formen des Zusammenlebens werden möglich. Punks und Alternative grenzen sich ganz vom Mainstream ab und bilden eigene (Gegen-)Kulturen und Identitäten.
Die Kehrseiten des historisch beispiellosen Wachstums der Industrie sind jetzt nicht mehr zu übersehen. Was man einst zum Wohle des Fortschritts akzeptierte – massive Müllberge, Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft – ist für viele nicht mehr hinnehmbar: die Grenzen des Wachstums scheinen erreicht, und nirgendwo verdichtet sich die neue Kritik an der industriellen Wachstumslogik so wie im Konflikt um die Kernenergie.
Falls ihr den ersten oder den zweiten Teil unserer Reihe verpasst haben solltet, könnt ihr die jeweiligen Verlinkungen anklicken, damit ihr für den vierten Beitrag der Reihe auf dem neuesten Stand seid.
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