Historische Aufnahme der Zinkfabrik Altenberg mit Blick von der Hansastraße

Mein Praktikum in der Zinkfabrik Altenberg

Ein Einblick in den etwas anderen Museumsalltag

Hallo zusammen!
Für alle, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Jonas Wingarz und ich war von Oktober 2023 bis Januar 2024 Praktikant im LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg. Ich habe Geschichte, Philosophie und Geschichtspraxis interkulturell an den Universitäten in Düsseldorf und Essen studiert und bin bis Sommer dieses Jahres noch für den Master in Public History in Bochum eingeschrieben. Vor allem in der Bildung und Vermittlung engagiert, bin ich als freier Gästeführer und Kulturvermittler im Ruhr Museum auf Zeche Zollverein in Essen und im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund tätig.

Ein Beitrag von Jonas Wingarz

Weil sich die Zinkfabrik Altenberg aktuell im großen Umbau für eine gänzlich erneuerte Dauerausstellung befindet, kann man mir angesichts eines fehlenden Besucher*innenbetriebes berechtigterweise die Frage stellen, warum ich ausgerechnet hier wertvolle Praxiserfahrung für meine berufliche Zukunft sammeln wollte. Warum nicht stattdessen in einem regulären Museumsbetrieb mitarbeiten, bei dem ich dann zum Beispiel auch Einblicke in die museumspädagogischen Programme hätte gewinnen können? Darauf kann ich nur entgegnen, dass ein „geschlossener“ Museumsbetrieb ganz eigene Vorzüge mit sich bringen kann. Denn die Neukonzeption einer Dauerausstellung ist nämlich eine ziemlich seltene Angelegenheit in der Museumslandschaft, bei der sich einzigartige Erfahrungen sammeln lassen. Deswegen möchte ich euch heute einen Einblick in meine dreimonatige Praktikumszeit geben und euch von den großen, aber auch kleineren Aufgaben im Museumsbetrieb berichten, die den abwechslungsreichen Alltag hier in der Zinkfabrik ausgemacht haben.

Im Rahmen meines Praktikums konnte ich alles in allem einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Bereiche der Museumsarbeit eines LVR-Industriemuseums am Beispiel des Oberhausener Schauplatzes Zinkfabrik Altenberg erhalten. Die Hauptaufgaben, welche ich im Verlauf meines Praktikums bearbeiten durfte, lagen dabei vor allem im Bereich der Neukonzeption der zukünftigen Dauerausstellung des Schauplatzes. Für diese Ausstellung lagen bei meinem Eintritt in das Praktikum bereits ein ausführliches Konzept sowie ein finaler Gestaltungsentwurf vor. Auf dieser Basis entwickelte ich gemeinsam mit der Schauplatzleitung Dr. Burkhard Zeppenfeld zwei unterschiedliche Hauptaufgaben:

Aufgabe 1: Texte für die neue Dauerausstellung

Meine erste Hauptaufgabe bestand in dem Verfassen von Ausstellungs- sowie Objekttexten zu zwei Ausstellungsbereichen, welche sich thematisch mit der Lebensvielfalt der 1960er und 1970er Jahre befassen. Der Bereich „Wir (Sommer-)Urlauber“ thematisiert den aufkommenden Massentourismus, vor allem nach Spanien, und damit einhergehend die Pauschalreise als bundesdeutsche Möglichkeit, an der kollektiven Gruppenidentität, die ein Sommerurlaub ermöglicht, teilzunehmen. Der Bereich „Anders leben“ erörtert hingegen politische und gesellschaftliche Strömungen abseits des Mainstreams, wie die Frauen- oder die Umweltbewegung, die Hippies und die Punks. Insgesamt verfasste ich auf der Grundlage von zentralen Vorgaben im Hinblick auf den Stil und die Länge der einzelnen Textgattungen drei inhaltliche und hierarchisch abgestufte Bereichs- und Gruppentexte sowie 25 Objekttexte mit zusätzlichen inhaltlichen Erläuterungen. In meinen Ausstellungsgruppen reichte die Vielfalt an Exponaten unter anderem von Fotos, Schallplatten und Kleidung über einen Kassettenrekorder oder auch Kaffee bis hin zu Plakaten, Souvenirs sowie einem Kuscheltier. Das Highlight bleibt aber wohl unangefochten der Ford Capri.

Aufgabe 2: Mitbestimmung spielerisch erproben

Zweitens war es meine Aufgabe, ein Szenario für ein digitales Spiel zu entwerfen, welches die Arbeit von Betriebsräten spielerisch in der neuen Dauerausstellung vermitteln soll. Dabei wird das Spiel mögliche Formen der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen visualisieren. In meinem Szenario nehmen die Besuchenden die Arbeitnehmer*innenperspektive ein und können sich in betrieblicher Interessenvertretung ausprobieren. Hierfür entwickelte ich auf der Grundlage der geltenden historischen Mitbestimmungsregelungen einen Entscheidungsbaum, bestehend aus den Handlungsoptionen mit den daraus resultierenden Reaktionen des Betriebsrates sowie der Unternehmensleitung. Ich begab mich also auf die Suche nach einem konkreten Beispiel für die Betriebsratsarbeit und bereitete es dementsprechend für das Spiel auf.

Vor diesem Hintergrund wird das Spiel so funktionieren: Die Spielenden nehmen an der Medienstation gegenüber voneinander Platz und treten als Arbeitgebervertreter*in einerseits und als Arbeitnehmervertreter*in andererseits an. Mit ihren Entscheidungen zu den Fallbeispielen bestimmen sie den Verlauf des Spiels. Sie können dabei stets auch eine Ebene zurückkehren und sich umentscheiden. Im Idealfall steht am Ende des Spiels die Erkenntnis, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Besten von Betrieb, Belegschaft und Arbeitsklima wirkt. Aber auch das Gegenteil, sozusagen eine Auseinandersetzung mit harten Bandagen, darf natürlich genauso getestet werden.

In meinem Fallbeispiel aus Arbeitnehmer*innenperspektive habe ich folgendes Szenario mit dem Arbeitstitel „Im Unternehmen gibt es kein ‚Wir‘ und die ‚Anderen‘“ entwickelt: Der Betriebsrat eines großen Chemiewerks sieht im Unternehmen wachsende Probleme. Er fürchtet um die Integration zugewanderter Menschen, die in den Betrieben neue Arbeit gefunden haben. Hier gilt es, ein ‚dickes Brett‘ zu bohren: Viele Kolleg*innen in den Betrieben benötigen offenbar Angebote, um mit der wachsenden Vielfalt in der Belegschaft besser klarzukommen. Und auch die neuen Mitarbeiter*innen brauchen mehr Unterstützung, um heimisch zu werden. Dimitrios Kapsoukalis als einziges Mitglied des Betriebsrats mit eigener Migrationsgeschichte nimmt sich diesen Herausforderungen besonders engagiert an.

Im Gegensatz zu meiner ersten Aufgabe war dieses zweite Projekt mit deutlich mehr Rechercheaufwand für mich verbunden, weil ich mich zunächst in den historischen Kontext einarbeiten musste. Allerdings gefällt und liegt mir gerade diese Komponente des sich schnell in neue und zum Teil gänzlich unbekannte Themenfelder einarbeiten sehr. Rein technisch gesehen habe ich hier im Vergleich zu den Texten zwar nur ungefähr die Hälfte an Arbeitszeit bis zur Fertigstellung des Entscheidungsbaumes investieren müssen, jedoch war es inhaltlich die deutlich herausfordernde Aufgabe für mich.

Alles, was sonst noch so anfällt

Bis hierhin habe ich aber noch kein einziges Wort darüber verloren, womit ich den Großteil meiner Arbeitszeit in der Zinkfabrik verbracht habe. Tatsächlich würde ich das Verhältnis zwischen meinen beiden Projektarbeiten und den sonstigen Aufgaben auf 40 zu 60 Prozent beziffern. Mein Aufgabenspektrum war also insgesamt noch deutlich vielfältiger, als ihr es euch bis hierhin vielleicht vorstellt. Abgesehen von verschiedenen internen Dienstbesprechungen des Schauplatzes oder allgemeinen Verwaltungsaufgaben gehörte die Mitarbeit am Museumsblog auch zu meinem Arbeitsbereich. Für den Blog habe ich unter anderem den Blogbeitrag zum Highlight-Exponat des Ford Capri verfasst. Mein zweiter Blogartikel behandelte hingegen ein etwas geläufigeres Thema, nämlich das Konvolut von 26 Urlaubpostkarten.

An einer typischen Dauer-Aufgabe im Museumswesen durfte ich mich ebenso austoben, der Inventarisierung. Dies bedeutete für mich die jeweils ersten Kontakte zu den Exponat-Eingängen und deren Aufnahme ins Eingangsbuch sowie zum Teil auch die Abwicklung der Übernahme von neuen Exponaten mit Dienstreisen zu den Schenkenden selbst. Bei Objekten hingegen, die schon länger in unserem Besitz sind, muss deren Zustand regelmäßig überprüft werden. Einmal durfte ich als Praktikant auch an solchen Objektbegutachtungen im zentralen Museumsdepot des LVR-Industriemuseums, dem Peter-Behrens-Bau in Oberhausen, teilnehmen.

Was mir äußerst positiv in Erinnerung geblieben ist, sind die Inhalts- und Objektrecherchen zu einzelnen Ausstellungsdesideraten für die neue Dauerausstellung in Archiven und Museumssammlungen. Dazu gehörte unter anderem eine Dienstreise zum Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln, wo ich mir Originalunterlagen zu den Carlswerken aus Köln-Mülheim anschauen durfte. Diesen Forschungsaspekt im Museumsbetrieb empfinde ich als überaus spannend, gerade im Zusammenhang mit der Neukonzeption einer Dauerausstellung.

Blick von der Hansastraße auf die Zinkfabrik Altenberg
Blick von der Hansastraße auf die Zinkfabrik Altenberg
Foto: LVR-Industriemuseum

Ein ganz besonderes Highlight ereignete sich erst fast gegen Ende meiner Praktikumszeit kurz vor Weihnachten. Ziemlich mittig auf dem Altenberg-Gelände soll baldmöglichst ein neuer Erinnerungsort für die Geschichte der Zwangsarbeiter*innen der Zinkfabrik Altenberg geschaffen werden. Hierzu wurden lokale Künstler*innen aufgerufen, Entwürfe für die Gestaltung eines möglichen Denkmals einzureichen. In diesem Kontext durfte ich die Jurysitzung zur Auswahl eines solchen künstlerischen Entwurfes vorbereiten, an ihr teilnehmen und protokollieren. Dazu werdet ihr bald noch mehr auf dem Blog lesen.

Mein Fazit

Um abschließend zu einem Fazit meiner persönlichen Erfahrungen im LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg zu kommen, würde ich diese Zeit mit „Realismus pur!“ betiteln. Als Praktikant war ich prinzipiell immer mittendrin und konnte überall Einblicke in die konkreten Arbeitsabläufe gewinnen. Bei Bekundung von Interesse und Wünschen bestand oft die Möglichkeit, überall mitzugehen und sich alle im Moment zugänglichen Bereiche des Museumsbetriebes anzuschauen. Wenn ihr euch ein Praktikum in der Zinkfabrik Altenberg vorstellen könnt, wäre wahrscheinlich die Besonderheit des aktuell noch geschlossenen Betriebes für euch von Interesse. Damit einher geht aber natürlich auch, dass ihr auf Einblicke in den Bereich der Museumspädagogik verzichten müsstet. Alles in allem kann ich die Zinkfabrik Altenberg als Praktikumsstätte also guten Gewissens weiterempfehlen.

Wir bedanken uns herzlich bei Jonas Wingarz für seine Arbeit und wünschen ihm auf seinem weiteren Berufsweg alles Gute!

Das Team der Zinkfabrik Altenberg

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